Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst für eine glutenfreie Ernährung, sei es aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund von persönlichen Vorlieben. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff Zöliakie? In diesem Ratgeber erfahren Sie alles Wissenswerte über diese Autoimmunerkrankung, ihre Ursachen, Symptome und wie Sie mit einer glutenfreien Ernährung ein gesundes Leben führen können.
Was ist Zöliakie?
Zöliakie, auch bekannt als Glutenunverträglichkeit, ist eine chronische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem des Körpers fälschlicherweise auf Gluten reagiert. Gluten ist ein Protein, das in verschiedenen Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste, Dinkel, Grünkern und Triticale vorkommt. Bei Personen mit Zöliakie führt der Verzehr von Gluten zu Entzündungen im Dünndarm, was die Aufnahme von Nährstoffen beeinträchtigt und zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann.
Neben den oben genannten modernen Getreidesorten enthält Gluten auch ältere Getreidearten wie Einkorn, Emmer (Zweikorn), Urkorn und Kamut. Diese älteren Sorten werden oft als verträglicher angesehen, jedoch ist Zöliakie nicht auf bestimmte Weizensorten beschränkt.
Gluten und seine Bestandteile
Gluten besteht hauptsächlich aus zwei Proteinkomponenten: Gliadin und Glutenin. Gliadin ist besonders immunreaktiv und verantwortlich für die meisten Beschwerden bei Zöliakie-Patienten. Diese Proteine verleihen dem Teig Elastizität und tragen zur Struktur von Backwaren bei. In der Zöliakie bewirkt die Aufnahme von Gliadin eine Fehlregulation des Immunsystems, die zu Entzündungen und Schädigungen des Darms führt.
Der Sonderfall Hafer
Hafer wird oft als eine Ausnahme unter den glutenhaltigen Getreidesorten betrachtet. Während Hafer von Natur aus kein Gluten enthält, ist er häufig mit glutenhaltigen Getreiden wie Weizen oder Gerste kontaminiert. Einige Studien deuten darauf hin, dass reiner, nicht kontaminierter Hafer von den meisten Menschen mit Zöliakie vertragen wird. Dennoch gibt es eine kleine Anzahl von Zöliakie-Patienten, die auch auf Hafer empfindlich reagieren.
Der Wissenschaftliche Beirat der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG) empfiehlt daher, Hafer zunächst nur unter ärztlicher Aufsicht und in begrenzten Mengen (bis zu 50 g pro Tag) in die Ernährung einzuführen. Es ist wichtig, auf zertifizierten glutenfreien Hafer zurückzugreifen, um Kontaminationen zu vermeiden.
Sowohl Allergie als auch Autoimmunerkrankung
Zöliakie weist Merkmale sowohl einer Allergie als auch einer Autoimmunerkrankung auf. Während bei einer klassischen Allergie das Immunsystem auf ein normalerweise harmloses Allergen überreagiert und sofortige Symptome wie Hautausschläge oder Atembeschwerden auslösen kann, ist die Reaktion bei Zöliakie komplexer.
Bei Zöliakie erkennt das Immunsystem das Gluten nicht nur als Fremdkörper, sondern beginnt auch, körpereigene Gewebe im Dünndarm anzugreifen. Dieser duale Angriff führt zu einer Schädigung der Darmzotten, was die Aufnahme von Nährstoffen erheblich beeinträchtigt und zu Symptomen wie Durchfall, Gewichtsverlust, Müdigkeit und anderen gesundheitlichen Problemen führen kann.
Ursachen und Risikofaktoren einer Zöliakie
Die genaue Ursache von Zöliakie ist noch nicht vollständig verstanden, aber es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt.
Genetische Faktoren
Zöliakie hat eine starke genetische Komponente. Etwa 30-40% der Menschen mit Zöliakie tragen die HLA-DQ2- oder HLA-DQ8-Gene. Diese Gene sind notwendig, aber nicht ausreichend für die Entwicklung der Krankheit, da nur ein kleiner Prozentsatz der Träger tatsächlich Zöliakie entwickelt.
Umweltfaktoren
Neben der genetischen Veranlagung können verschiedene Umweltfaktoren zur Entwicklung von Zöliakie beitragen. Dazu gehören:
- Infektionen im frühen Kindesalter, insbesondere durch das Bakterium Campylobacter jejuni oder den Pilz Candida albicans.
- Bestimmte Darminfektionen, die die Darmbarriere beeinträchtigen.
- Verzögerte Einführung von glutenhaltigen Lebensmitteln in der frühen Kindheit.
- Operationen am Darm, wie eine Gastroenterostomie.
- Stress und Trauma, die das Immunsystem beeinflussen können.
Diagnose von Zöliakie
Die Diagnose von Zöliakie ist ein mehrstufiger Prozess, der verschiedene Tests umfasst:
Bluttests
Initial werden serologische Tests durchgeführt, um nach spezifischen Antikörpern zu suchen, die bei Zöliakie erhöht sind, wie z.B. Anti-TTG (Gewebe-Transglutaminase-Antikörper) und Anti-Endomysium-Antikörper (EMA). Diese Tests sind wichtig, da sie eine initiale Indikation für Zöliakie liefern können.
Dünndarmbiopsie
Um die Diagnose zu bestätigen, ist in der Regel eine Biopsie des Dünndarms erforderlich. Dabei wird ein Endoskop verwendet, um kleine Gewebeproben zu entnehmen, die dann unter dem Mikroskop auf Schäden der Darmzotten untersucht werden.
Genetische Tests
Die Identifizierung der HLA-DQ2- oder HLA-DQ8-Gene kann helfen, die Diagnose zu unterstützen, insbesondere in Fällen von unklaren Ergebnissen. Ein negatives Ergebnis kann Zöliakie nahezu ausschließen.
Wichtig ist, dass die Patienten vor den Tests weiterhin eine glutenhaltige Ernährung einhalten, um genaue Ergebnisse zu gewährleisten. Eine bereits begonnene glutenfreie Diät kann die Testergebnisse verfälschen.
Häufigkeit und Verbreitung von Zöliakie
Die Prävalenz von Zöliakie variiert weltweit, liegt aber im Durchschnitt bei etwa 1% der Bevölkerung. Allerdings ist die Dunkelziffer hoch, da viele Fälle unentdeckt bleiben oder falsch diagnostiziert werden.
In Deutschland schätzt man, dass etwa 1 von 500 Menschen an Zöliakie leidet, wobei nur etwa ein Drittel der Betroffenen offiziell diagnostiziert ist. Unterschiede in der Diagnostik, genetischen Veranlagung und dem Bewusstsein über die Krankheit tragen zu dieser Variabilität bei.
Historische Begriffe und aktuelle Bezeichnungen
Früher wurde Zöliakie oft als „Sprue“ bezeichnet, insbesondere wenn die Krankheit im Erwachsenenalter diagnostiziert wurde. Dieser Begriff hat sich jedoch weitgehend durch den spezifischeren Begriff „Zöliakie“ ersetzt. Weitere historische Bezeichnungen umfassen „nicht-tropische Sprue“ und „glutensensitive Enteropathie“, die heute jedoch weniger gebräuchlich sind.
Die aktuelle medizinische Terminologie verwendet hauptsächlich die Begriffe „Zöliakie“ und „gluteninduzierte Enteropathie“, um die Krankheit präzise zu beschreiben.
Getreidesorten und ihre Eiweiße
Nicht alle Getreidesorten enthalten die gleichen Arten von Proteinen. Einige sind für Menschen mit Zöliakie schädlich, während andere als sicher gelten. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über verschiedene Getreidesorten, ihre spezifischen Prolamine und ihre Verträglichkeit bei Zöliakie:
Getreidesorte | Getreideeiweiße (Prolamine) | Schädlich für Zöliakie-Betroffene? |
---|---|---|
Weizen, Dinkel, Grünkern, Kamut, Einkorn | Gliadin | Ja |
Roggen | Secalinin | Ja |
Gerste | Hordein | Ja |
Hafer | Avenin | Umstritten* Siehe Abschnitt „Der Sonderfall Hafer“ |
Reis | Oryzenin | Nein |
Mais | Zein | Nein |
Hirse, Amarant | Kafirin | Nein |
* Die Verträglichkeit von Hafer kann individuell variieren und sollte mit einem Arzt besprochen werden.
Ernährung bei Zöliakie
Die einzige wirksame Behandlung für Zöliakie ist eine strikt glutenfreie Ernährung. Dies erfordert ein sorgfältiges Lesen von Lebensmittelkennzeichnungen und das Vermeiden von Kontaminationen durch glutenhaltige Produkte. Hier sind einige Tipps zur glutenfreien Ernährung:
- Lebensmittel kennzeichnen: Achten Sie auf Etiketten mit „glutenfrei“ oder entsprechenden Zertifikaten.
- Vermeiden von verstecktem Gluten: Gluten kann in unerwarteten Lebensmitteln wie Saucen, Dressings und verarbeiteten Lebensmitteln enthalten sein.
- Kreuzkontamination vermeiden: Verwenden Sie separate Küchenutensilien und -flächen für glutenfreie Lebensmittel.
- Natürliche glutenfreie Lebensmittel bevorzugen: Frisches Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Reis, Mais und Hülsenfrüchte sind von Natur aus glutenfrei.
Weitere Informationen und detaillierte Listen glutenhaltiger und glutenfreier Lebensmittel finden Sie in unseren Listen glutenhaltiger Lebensmittel und glutenfreier Lebensmittel.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Haben Sie weitere Fragen rund um das Thema Zöliakie? In unserer Zöliakie FAQ finden Sie Antworten auf die häufigsten Fragen, von Symptomen und Diagnose bis hin zu Ernährungstipps und Lebensqualität.